Was ist die Turtle-Strategie?

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Titelbild Strategie

Die Finanzmärkte sind bekanntermaßen von Volatilität geprägt, und Investoren suchen ständig nach effektiven Anlagestrategien, um in diesem dynamischen Umfeld erfolgreich zu agieren. Eine dieser Methoden, die durch zahlreiche Nachahmer in den letzten Jahren Aufmerksamkeit erregt hat, ist die sogenannte „Turtle-Strategie“. Benannt nach dem Experiment der „Turtle Traders“ in den 1980er Jahren, ist diese Handelsmethode eine disziplinierte Herangehensweise, die durch ihre klaren Regeln und ihren systematischen Ansatz Orientierung bietet.

Die Geschichte von Richard Dennis und den Turtle-Tradern hat sich zu einer bekannten Anekdote in der Welt des Handels entwickelt und ist in Büchern wie „Market Wizards“ von Jack D. Schwager und anderen Werken dokumentiert. Ob Dennis die Turtle-Strategie in seinem eigenen Handel nach dem Experiment konsequent angewendet hat, wird von verschiedenen Quellen unterschiedlich dargestellt. Es bleibt jedoch unbestritten, dass die Ideen und Prinzipien der Turtle-Strategie einen nachhaltigen Einfluss auf die Welt des systematischen Handels hatten.

Die Ursprünge der Turtle-Strategie

Richard Dennis, einer der "Väter" der Turtle-Strategie
Richard Dennis

Die Turtle-Strategie wurde in den 1980er Jahren von den legendären Handelspionieren Richard Dennis und William Eckhardt entwickelt. Der Begriff „Turtle“ lässt sich ins Deutsche als „Schildkröte“ übersetzen. Die Wahl des ungewöhnlichen Namens geht auf eine Überlegung von Richard Dennis zurück, der davon überzeugt war, dass man erfolgreiche Trader „züchten“ könne „wie Schildkröten in Singapur“. Er meinte damit, dass man auch einem völlig unerfahrenen Anfänger beibringen kann, wie man an der Börse Geld verdient. Sein Freund und Geschäftspartner William Eckhardt hingegen glaubte, dass es ohne angeborenes Talent nicht geht. So schlossen die beiden eine Wette ab, um es herauszufinden.

„Trader kann man züchten wie Schildkröten in Singapur“

William Eckhardt, einer der "Väter" der Turtle-Strategie
William Eckhardt

Dennis und Eckhardt rekrutierten eine Gruppe von völlig unerfahrenen Personen, die sogenannten Turtle Trader, und brachten ihnen ihre Handelsregeln bei. Die Teilnehmer durchliefen ein intensives Ausbildungsprogramm, bei dem sie die Grundlagen der Turtle-Strategie erlernten. Die Idee war, dass, ähnlich wie bei der Zucht von Schildkröten in einem kontrollierten Umfeld, auch Trader durch gezielte Ausbildung und klare Handelsregeln entwickelt werden können.

Nach dem intensiven Schulungsprogramm erhielten die Turtle-Trader von Dennis und Eckhardt echtes Geld, um es an den Finanzmärkten einzusetzen, ihre Strategien umzusetzen und sich unter den realen Herausforderungen des Handels zu bewähren. Die Beträge, die den Turtle-Tradern zur Verfügung gestellt wurden, variierten je nach ihren individuellen Fähigkeiten und ihrer Leistung während des Ausbildungsprogramms. Einige erhielten bis zu einer Million Dollar, während andere mit kleineren Beträgen begannen. Die Hauptidee bestand jedoch darin, den Tradern eine reale Handelsumgebung zu bieten, in der sie die Prinzipien der Turtle-Strategie in die Praxis umsetzen konnten.

Es gibt unterschiedliche Berichte über den späteren Erfolg der Turtle-Trader, aber viele von ihnen erzielten beträchtliche Gewinne. Einige der Trader, die aus diesem Experiment hervorgingen, wurden später selbst erfolgreiche Hedgefonds-Manager und Finanzexperten. Zu den bekanntesten ehemaligen Turtle-Tradern gehören beispielsweise Jerry Parker, Curtis Faith und David Harding.

Grundprinzipien der Turtle-Strategie

Die Turtle-Strategie basiert auf klaren Regeln, die Disziplin und Geduld erfordern. Ein zentraler Aspekt ist das Festlegen von klaren Ein- und Ausstiegspunkten sowie die Risikokontrolle. Obwohl die genauen Details der Turtle-Strategie nicht offiziell veröffentlicht wurden, sind ihre Kernelemente allgemein bekannt und haben einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung von Trendfolgestrategien gehabt. Hier sind einige der grundlegenden Prinzipien:

Trendfolge

Die Turtle-Strategie folgt dem Prinzip der Trendfolge. Das bedeutet, dass Trader versuchen, von bestehenden Trends zu profitieren, anstatt gegen den Markt zu handeln. Wenn die Märkte in einem Aufwärtstrend sind, werden Turtle-Trader dazu neigen, Long-Positionen einzugehen oder bestehende Long-Positionen zu halten, um von der Preissteigerung zu profitieren. Im Gegensatz dazu werden sie in einem Abwärtstrend dazu neigen, Short-Positionen einzugehen oder bestehende Short-Positionen zu halten, um von fallenden Kursen zu profitieren. Das Turtle-Trading ist somit eine prozyklische Anlagestrategie.

Ein- und Ausstiegspunkte

Die genauen Ein- und Ausstiegspunkte der Turtle-Strategie sind nicht öffentlich bekannt, da Richard Dennis und William Eckhardt bestimmte Details als Geschäftsgeheimnisse betrachteten und diese nicht vollständig veröffentlichten. Dennoch sind einige allgemeine Prinzipien und Methoden überliefert:

  • Eintrittspunkte:
    • Durchbruch von Hochs oder Tiefs: Ein häufig verwendetes Signal für den Eintritt in einen Trade war der Durchbruch eines bestimmten Zeitraumhochs oder -tiefs. Dies könnte beispielsweise das Durchbrechen des 20- oder 55-Tage-Hochs oder -Tiefs sein.
    • Volatilitätsfilter: Die Turtle-Strategie berücksichtigte die Volatilität des Marktes. In volatilen Phasen wurde die Positionsgröße reduziert, um das Risiko zu begrenzen.
    • Technische Analysen: Die Trader nutzten technische Analysen und Chartmuster, um potenzielle Eintrittspunkte zu identifizieren.
  • Ausstiegspunkte:
    • Durchbruch von Hochs oder Tiefs: Ähnlich wie beim Eintritt wurden auch Ausstiegsregeln basierend auf Durchbrüchen von Hochs oder Tiefs festgelegt.
    • Volatilitätsfilter: Ein Teil des Ausstiegsmanagements beinhaltete die Anpassung der Positionen basierend auf der aktuellen Marktvorhersehbarkeit und Volatilität.
    • Trailing Stops: Turtle-Trader nutzten auch Trailing Stops, um Gewinne zu schützen. Das bedeutet, dass der Stop-Loss dynamisch nachgezogen wurde, wenn sich der Markt zu ihren Gunsten bewegte.

Es ist wichtig zu betonen, dass die genauen Parameter und spezifischen Regeln der Turtle-Strategie nicht vollständig bekannt sind. Daher nehmen Trader, die die Turtle-Strategie anwenden, ihre eigenen Anpassungen und Interpretationen der Grundprinzipien vor.

Risikomanagement und Position-Sizing

Das Risikomanagement ist ein zentraler Bestandteil der Turtle-Strategie und wird durch klare Regeln und Richtlinien umgesetzt. Hier sind einige der wesentlichen Aspekte des Risikomanagements im Turtle-Trading:

  • Prozentuales Risiko pro Trade:
    • Turtle-Trader legen einen festen Prozentsatz ihres Handelskapitals als maximales Risiko pro Trade fest. Dieser Prozentsatz variiert, aber er liegt oft zwischen 1% und 2% des verfügbaren Gesamtkapitals.
    • Das prozentuale Risiko pro Trade hilft dabei, Verluste zu begrenzen und sicherzustellen, dass kein einzelner Trade das Gesamtkapital zu stark belastet.
  • Positionsgröße basierend auf der Volatilität:
    • Die Turtle-Strategie verwendet das sogenannte „N-System“ für die Bestimmung der Positionsgrößen. Dabei wird die Volatilität des Marktes berücksichtigt.
    • Die Position wird so berechnet, dass das Risiko pro Trade proportional zur Volatilität des Marktes steht. In volatilen Phasen wird die Positionsgröße reduziert, um das Risiko besser zu kontrollieren.
  • Stop-Loss-Orders:
    • Turtle-Trader setzen klare Stop-Loss-Orders, um Verluste zu begrenzen. Diese Orders werden auf Basis der Volatilität und technischer Analysen platziert.
    • Das Setzen von Stop-Loss-Orders ermöglicht es den Tradern, ihre Verluste zu begrenzen und ihre Disziplin bei der Umsetzung der Handelsregeln zu wahren.
  • Diversifikation und Korrelation:
    • Um das Gesamtrisiko zu streuen, diversifizieren Turtle-Trader ihre Investments über verschiedene Märkte hinweg.
    • Die Korrelation zwischen verschiedenen Trades und Positionen wird ebenfalls berücksichtigt, um sicherzustellen, dass nicht alle Positionen gleichzeitig korrelieren.

Die klaren Regeln für das Risikomanagement sind entscheidend für den Erfolg der Turtle-Strategie. Sie dienen dazu, die Trader vor großen Verlusten zu schützen und eine angemessene Steuerung des Gesamtrisikos im Portfolio zu gewährleisten.

Anpassungen für moderne Märkte

Die Turtle-Strategie wurde im Laufe der Zeit von verschiedenen Tradern und Investoren an moderne Märkte angepasst. Die Grundprinzipien der Turtle-Strategie, die auf klaren Regeln, Trendfolge und Risikomanagement basieren, sind dabei erhalten geblieben. Anpassungen wurden vorgenommen, um technologischen Entwicklungen, veränderten Marktbedingungen und der Verfügbarkeit umfassender Daten Rechnung zu tragen.

Mit dem Aufkommen von algorithmischem Handel und fortschrittlichen Handelsalgorithmen haben viele Trader die Turtle-Strategie in automatisierte Handelssysteme umgewandelt. Die klaren Regeln der Turtle-Strategie eignen sich gut für die Automatisierung. Moderne Trader nutzen auch den Zugang zu fortschrittlichen Datenanalysen und maschinellem Lernen, um die Turtle-Strategie zu verfeinern. Dies kann die Identifikation von Trendsignalen und die Anpassung der Handelsregeln an sich ändernde Marktbedingungen verbessern. Mit fortschrittlicheren Risikomanagement-Tools und -Techniken können moderne Turtle-Trader das Risiko noch genauer steuern und an verschiedene Marktbedingungen anpassen.

Die Original-Turtle-Trader konzentrierten sich auf Futures-Märkte. Moderne Anpassungen der Strategie haben oft eine Erweiterung auf eine breitere Palette von Märkten und Finanzinstrumenten ermöglicht, einschließlich Aktien, Devisen und Kryptowährungen.

Die Turtle-Strategie hat im Laufe der Jahre bewiesen, dass sie eine effektive Methode für den systematischen Handel sein kann. Ihre klaren Regeln und die Fokussierung auf Risikomanagement haben sie zu einer beliebten Wahl für Trader gemacht, die nach einer strukturierten Herangehensweise suchen. Wie bei jeder Handelsstrategie ist es jedoch wichtig zu betonen, dass es keine Garantie für Erfolg gibt, und die Anwendung erfordert sehr viel Aufmerksamkeit, Anpassungsfähigkeit und kontinuierliche Verbesserung.

Was Privatanleger aus der Turtle-Strategie lernen können

Elemente der Turtle-Strategie können auch für Privatanleger umsetzbar sein, vorausgesetzt, sie verstehen die Prinzipien der Strategie und passen sie an ihre eigenen Bedürfnisse und Risikotoleranzen an. Hier sind einige Aspekte, die Privatanleger bei der Anwendung von Elementen der Turtle-Strategie berücksichtigen können:

  • Regelbasiertes Handeln: Privatanleger können von der Implementierung klarer Handelsregeln profitieren. Dies kann helfen, emotionale Entscheidungen zu minimieren und eine disziplinierte Handelsansatz zu fördern.
  • Trendfolge: Die Idee der Trendfolge kann auch für Privatanleger relevant sein. Das Identifizieren von bestehenden Trends und das Handeln in deren Richtung kann eine effektive Strategie sein.
  • Risikomanagement: Das Risikomanagement ist ein entscheidender Aspekt der Turtle-Strategie. Privatanleger sollten ihre Positionen so dimensionieren, dass sie Verluste begrenzen können. Das Festlegen von klaren Stop-Loss-Orders und die Begrenzung des Risikos pro Trade sind wichtige Prinzipien.
  • Anpassung an Marktbedingungen: Auch Privatanleger sollten sich bewusst sein, dass sich Marktbedingungen ändern können. Die Fähigkeit, die Strategie an verschiedene Marktumfelder anzupassen, kann entscheidend sein.
  • Diversifikation: Ähnlich wie bei den Turtle-Tradern können auch Privatanleger von einer diversifizierten Anlagestrategie profitieren. Die Verteilung von Investments über verschiedene Anlageklassen oder Märkte kann dazu beitragen, das Gesamtrisiko zu streuen.
  • Bildung und Vorbereitung: Privatanleger sollten sich eingehend über die Prinzipien der Turtle-Strategie informieren und sicherstellen, dass sie die Grundlagen des Handels, der technischen Analyse und des Risikomanagements verstehen, bevor sie die Strategie anwenden.

Es ist wichtig zu beachten, dass jede Handelsstrategie Risiken birgt, und keine Strategie eine Garantie für Gewinne bietet. Privatanleger sollten ihre eigene Forschung betreiben, ihre Anlageziele klar definieren und sicherstellen, dass die Strategie ihren individuellen Umständen und Risikotoleranzen entspricht. Es kann auch ratsam sein, professionelle Beratung in Betracht zu ziehen.

 

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